Unseren verstorbenen gib die ewige Ruhe, das ewige Licht leuchte ihnen, Herr lass sie ruhen in Frieden. Amen.
Kennst du den Werbespott, in dem ein alter Mann seinen Tod vorspielt, damit endlich die ganze Familie Zeit fürs Weihnachtsfest findet? So habe ich mich gefühlt, als ich mit dicker Bindehautentzündung am 2. Januar im Bett lag und meine Mama mir am Telefon vom Tod meiner Oma erzählte. Ich hatte Läppchen auf den Augen liegen, die mit verdünnter Calendulaessenz getränkt waren. Die Tränen rannen darunter hervor, über meine Wangenknochen und verloren sich in meinen Ohren.
Ich konnte es nicht glauben. Ich kann es noch immer nicht glauben. Der Zahn der Zeit hatte an meiner Oma genagt. Aber sie hatte immer noch Kraft, war klar im Kopf und lebte alleine in ihrem Haus. Wir hatten Weihnachten nicht kommen können, weil die Kinder fieberten. Am Wochenende danach husteten sie noch immer so schlimm, dass wir das Risiko nicht eingehen wollten, meine Oma mit dem Scheiß anzusteckten. Deshalb sagten wir ab… und generell sah ich sie in den letzten Jahren viel zu selten…
Meine Tante und mein Onkel brachten uns zu Silvester einen Christstollen mit, den Oma extra für uns gebacken hatte… Wie immer ohne Rosinen, dafür mit Schokoladenstücken.
Und dann lag dieses Teil vor uns. Aber sie war nicht mehr da.
Ich fuhr mit meiner Mama zu ihr, sah sie wie schlafend in ihrem Bett liegen, nahm Abschied von ihr. Und trotzdem kann ich es nicht glauben.
Abschied nehmen ist manchmal nicht leicht, für die, die zurückbleiben.
…
Unsere GeKi ist gebrochen. Wir haben Abschied genommen, von Familien, die ins Ausland zogen, von Kindern, die in die Schule wechselten, von Ehrenamtlichen, die neue Wege gingen, oder einfach ein Baby bekamen. Alles kam mit einem Schlag zum Herbst. Und ich stand da. Und sah zu.
Ich fühlte die Freude und Unsicherheiten derjenigen, die gingen. Ich umarmte sie, mit dem Wissen sie wieder zuhören, zu fühlen und zu sehen. Es sind mir unheimlich wichtige Menschen. Die sich aber entfernen. Sardinien, Ungarn ist weit weg. Und sogar 45 Minuten Autofahrt ist nicht: Wir sehen uns 3x die Woche im Familiendorf. Sondern: Wir müssen es planen und bewusst in Kontakt bleiben. Beziehung ist manchmal anstrengend. Vor allem, wenn man sie zu vielen Menschen aufrechterhalten möchte…
Danke Handy, dass es durch dich leichter ist… Aber immer noch bedeutet es Arbeit…
Ich weiß noch gut, wie meine Freunde aus der Schulzeit und ich uns, nach unserem Abschluss 1x in der Woche trafen. Immer freitags. Ein Jahr lang. Und dann zerbrach es. Ich bin nicht gut im Kontakt halten. Begegne ich den Menschen wieder, ist es oft so, als wäre keine Zeit vergangen. Aber trotzdem entsteht so viel mehr Tiefe, wenn man sich fast täglich sieht und miteinander redet, lacht und weint. Ich frage mich zu welchen der Familien ich in einem Jahr, in drei oder fünf noch Kontakt habe. Wie werden unsere Beziehungen sein? Welche verlaufen sich im Sand und welche halten der Entfernung stand?
Jetzt stehe ich im Familiendorf. Leer. Ich bin alleine. Nein. Das ist übertrieben. Eine neue Familie stieß zu uns und eine alte Familie kehrte zurück (die aber plant auszuwandern). Trotzdem fühlt es sich leer an, in mir drin.
Und dann ist es umso schöner, wenn man sich hört, miteinander schreibt, sich sieht und zurückblickt auf ganz viel Nähe und geteilte Zeit.
Im Herbst und Winter fand das Familiendorf nur selten statt. Ständig war jemand krank oder war verplant. Das tat mir gut. Ich brauchte Zeit für mich. Zeit zum Atmen, zum Mich-Ordnen, zum Abschied nehmen, zum Loslassen. Langsam schnuppert der Frühling an mir und ich fühle, dass es Zeit ist, für einen Neubeginn. Das Familiendorf wird zu neuem Leben erwachen, wie ein Phönix aus der Asche. Und mit diesem Neubeginn werden auch neue Menschen zu uns stoßen. Neue Freundschaften werden entstehen und Lachen wird wieder erschallen. Ich weiß es. Ich habe keine Angst.
Es wird Zeit.
Für einen Neubeginn.
Denn ein Abschied läutet immer einen neuen Anfang ein.
Oma du bist in meinem Herzen. Ich weiß, dass es dir gut geht, da wo du jetzt bist. Und ich weiß, dass du noch immer jeden Abend für mich betest. Danke dir.