… die mir erlaubten zu der Helen zu werden, die ich heute bin.
Station 1: Vertrauen geschenkt bekommen
„Ja, sie hat eine katastrophale Rechtschreibung, aber sie liest viel, das kommt.“
So ähnlich drückte es mein Lehrer aus, als meine Mutter in der dritten Klasse begann sich um meine schulische Entwicklung zu sorgen. Sie hatte mich auf einer Montessori Schule angemeldet und bekam mit fortschreitenden Jahren die Krise, weil ich nichts lernte.
Das komplette erste Schuljahr hatte ich damit verbracht Klassenkameraden dabei zu zuschauen, wie sie mit den Materialien arbeiteten. Ich weiß bis heute nicht, wie ich lesen, schreiben und rechnen lernte. Aber es kam…
Das Vertrauen, das mir mein Lehrer mit diesen simplen Worten schenkte trägt mich noch heute! Und auch die Lehrer, die ihm folgten vermittelten mir nie dass ich eine Niete wäre. Im Gegenteil: Meine Oberstufenlehrerin zweifelte die Richtigkeit meines positiven Lese-Rechtschreib-Tests an und machte einen eigenen mit mir, laut dem ich kein LRS habe. Wie es auch ist, mir ist es egal, denn ich habe mich nicht darüber definiert.
Seltsam, dass mein Herz lacht beim Gedanken an freies Lernen, obwohl ich solche positiven Erfahrungen in der Schule sammeln durfte, oder? Ja, ich war zufrieden in meiner Schule und hatte wunderbare Lehrer, aber gerade wegen meiner Erfahrung (ich begann erst in der sechsten Klasse zu lernen), weiß ich, dass Kinder keine Schule brauchen, sondern Menschen, die an sie glauben und ihnen Kraft und Mut geben ihren eigenen Weg zu gehen.
Dafür bin ich meinem Lehrer so dankbar. Er gab mir das Gefühl okay zu sein, wie ich bin und dass ich alles erreichen kann, wenn ich es will. Ich höre von vielen Menschen mit Legasthenie und wie schwer es ihnen fällt Bücher zu schreiben. Das macht mich traurig.
Geht es dir auch so? Deine Rechtschreibung (begnadet gut, oder katastrophal schlecht) sagt nichts darüber aus, wie gut du dich ausdrücken kannst! Fang an zu schreiben und werde besser, während du es tust. Es gibt nichts, dass du nicht kannst!
Übrigens: Das Lesen half mir wenig bei der Rechtschreibung, erst das Bücherschreiben am PC brachte Besserung.
Station 2: Freie Entfaltung
In der 5. Klasse sollten wir alle eine Bildergeschichte schreiben. Ich hörte nie wieder auf zu schreiben und dank der Freiheit an meiner Schule wurde es mir erlaubt während der Freiarbeit so viel zu schreiben, wie ich wollte.
Station 3: Ich schaffe alles, was ich will.
Mama werden mit 24. Ich hatte mir dieses Kind gewünscht, hatte große Erwartungen an mich und alles kam anders als gedacht. Ich veränderte mich radikal. Denn nach der Geburt wusste: Ich schaffe alles, was ich will!
Station 4: Gemeinschaftliche Kinderbetreuung
Als Kind zwei wenige Tage alt war, hielt ich sie im Arm und spürte ganz deutlich: Ich werde nie wieder ein Kind eingewöhnen! Ich mache das nicht mehr mit! Ich war bereits auf dem Weg eine Kita zu gründen und bin heute so froh, dass es nicht klappte, sondern stattdessen das Familiendorf-Würzburg, meine GeKi entstand. Dort muss ich wirklich nicht eingewöhnen, denn es gibt keine Erzieher*innen, die denken: Komm, Alte, hau mal ab, dein Kind schafft das schon! Möglich, aber ich schaffe es nicht, mein Kind weinend irgendwo zu lassen und selbst glücklich zu sein.
Natürlich war für diese Lebensweg-Station ein entscheidender Punkt, dass ich meinte mein Großer solle mit einem Jahr in die Krippe gehen und feststellen musste, dass meine Vorstellung von einer Krippe ziemlich romantisiert war. Mir tut es leid um ihn und was er dort (psychisch) erleben musste. Aber ich weiß, dass es so sein musste. Ich war noch nicht weit genug. Ich hatte noch einiges zu lernen vor mir … und habe es immer noch.
Station 5: Ergeben lernen
(Achtung Trigger: Krankenhausgeburt)
Gerade befasse ich mich viel mit mir als Person. Neulich las ich: Persönlichkeitsentwicklung = Selbstoptimierungswahn. Ja… die Gefahr besteht bei mir, wenn ich mal wieder etwas exzessiv betreibe, weil es so gut tut: Morgenroutine, Dankbarkeitsritual, Lösen von Glaubenssätzen, weil ich endlich frei sein will! Stark und voller Selbstvertrauen.
Ja… Da sind wir bei Station 5 auf meinem Weg zu der Person, die ich heute bin: Die Schwangerschaft meines 3. Kindes.
Ich startete energetisch ausgebrannt in die Schwangerschaft (erster großer Krach im Familiendorf), wurde vom ersten Corona-Lockdown überfahren und achtete nicht auf meine Grenzen als unser Kater Flöhe hatte und wir unser Haus giftfrei vom Ungeziefer befreiten (mein Mann mein heute noch: Das nächste mal GIFT!). Ich dachte ich muss das schaffen, durchhalten, nur noch das eine Mal… und bekam eine Schwangerschaftsvergiftung (medizinisch Präeklampsie).
Super ungewöhnlich, beim dritten Kind, als Nichtraucherin, mit normaler Figur, … Kein Risikofaktor traf auf mich zu. Aber ich wusste woher es kam … Ich hatte wiederholt meine eigenen Grenzen massiv überschritten.
Problem war für mich: Mit der Feststellung der Diagnose konnte ich nicht aufhören zu kämpfen. Ich kämpfte gegen die Angst vor dem, wie es weitergehen würde, dann für meine Hausgeburt, dann für eine Geburt im Geburtshaus, dann gegen die Einweisung ins Krankenhaus, schließlich gegen die Einleitung vor dem offiziellen Entbindungszeitraum und lernte mich ergeben.
Loslassen.
Zulassen.
Ich erlebte meine erste Krankenhausgeburt. Alleingeburt. Schönste Wehenarbeit. Das erste Kind bei dem das Stillen sofort perfekt funktionierte und das ich trotzdem nachts Stillproben abgeben musste. Ich schluckte Medikamente, bei denen ich hinterher erfuhr, dass man sie nicht in der Stillzeit nehmen durfte. Aber ich hatte mich ergeben und mich in die Hände der Ärzte gelegt, weil ich nicht mehr konnte.
Wenn ich zurückblicke auf die Zeit ist es echt krass wie ich funktionierte.
Atmen.
Stillen.
Ruhe.
Endlich wieder ein Buch lesen.
Es war damals wichtig, nachzugeben, um mich nicht zu zerstören und es gibt einiges, was mich traurig macht, wenn ich zurückblicke. Aber ich fühle mich auch glücklich, dankbar und ein bisschen erleuchtet.
Zehn Tage nach der Geburt wurden wir entlassen und zu Hause normalisierte sich endlich mein Blutdruck und ja, jetzt kann ich auch wieder kämpfen. Oder wie ein Bambus nachgeben, bevor ich breche. Mich mehr spüren. Mich ernst nehmen. Mich lieben.
Erzähle mir von deinen wichtigsten Stationen in den Kommentaren.
Oh wie schön Helen, ich hab gerade deine Stationen gelesen und besonders bei Station 5 hatte ich ein Aha-Erlebnis. Ich hätte auch gekämpft… gekämpft für all das, was Du auch wolltest. Um dann quasi aufzugeben und dann aber zu realisieren, dass es kein Aufgeben ist, sondern ein sich ergeben… sich weich werden lassen… ein Annehmen dessen, was gerade ist. Wie schön :‘-)
Sich ergeben. Passend war, dass ich am Anfang der Schwangerschaft noch »Heile dich selbst – wenn es sonst keiner kann« von Amy B. Scher gelesen hatte und eine Erleuchtung hatte, als es um das sich ergeben ging… Aber als die Präeklampsie diagnostiziert wurde, hat es trotzdem gedauert, bis ich loslassen konnte und beschloss mich zu ergeben… Ich hoffe beim nächsten Mal geht es leichter ❤️❤️❤️